Laufhäschen

REGINA LIEBERT

Grazmarathon 2010

Grazmarathon10-1

Ein Rettungsengel Nr. 1288 mit den Namen Alois!
Die Vorgeschichte zum Grazmarathon am 10.10.2010:
Heuer findet die Österreichische Staatsmeisterschaft in Marathon (ÖSTM) in Graz statt. 
Das trifft sich gut für mich, in Graz bin ich noch nie gelaufen und eine neue Strecke ist
immer attraktiver zu laufen. Nach dem Frühjahrsmarathon in Linz (der ja bekanntlich um
201 Meter zu kurz war) wollte ich mich voll auf Graz konzentrieren. Dort wollte ich auch
meine sub 3 Stunden laufen. Im ersten Teil der Vorbereitung lief es super, jedoch im zweiten Teil
wollte es nicht so recht klappen. Im Training fühlte ich mich nicht wohl, bekam beim laufen keinen
Rhythmus hinein, irgendwie lief es unrund. Mein letzter Laktat-Test, vorm Halbmarathon-Wachau
bestätigte das auch. Er fiel nicht sonderlich gut aus. Daher auch nur eine HM-Zeit von 1:29:41.
Darum mußte ich meine vorgenommene Zielzeit für den Marathon natürlich erhöhen und
setzte diese auf bis 3:10. Knapp eine Woche vorm Marathon bekam ich das, wovor sich jeder Läufer
im Herbst fürchtet – eine Verkühlung. Ich versuchte alles, Tee, Aspirin C, Halslutschtabletten und
nahm mir noch den Donnerstag und Freitag Urlaub um gesund zu werden.
Da ich meinen zwei Vereinskolleginnen Conny und Carola zugesagt habe, mit ihnen gemeinsam in der Mannschaftswertung
zu laufen bzw. wir 3 verteidigen unseren Österreichischen Staatsmeistertitel in der Mannschaftswertung 2009,
fuhr ich trotzdem nach Graz, um zu starten. Zu meiner sowieso schon erhöhten Marathonzielzeit muß ich jetzt für die Verkühlung nochmals mindestens 5 Minuten draufschlagen. Wenn es in Graz nicht um diese Mannschaftswertung ginge, würde ich mich einfach auskurieren und 2 Wochen später den LCC-Herbstmarthon laufen. Ich tröstete mich damit: Ein Lauffreund hat mir zugesagt, mich beim Marathon zu begleiten und dann schaffe ich das schon. Aber wie das so ist, ein Unglück kommt selten alleine, erfahre ich beim Frühstück, Gerhard ist auch so Verkühlt und kann daher nicht mit mir laufen. Da jetzt schon alles schief geht, greife ich zu einem paar Laufschuhe, die ganz, ganz leicht sind, keine Dämpfung haben und ich erst einige male verwendet habe. Diese hatten mir bei einem 10-km-Wettkampf Glück gebracht, bin aber mehr als 10-km in einem durch, mit diesen Schuhen noch nie gelaufen. Also, volles Risiko, vielleicht kann ich damit ein bischen was von meiner schlechten Form und der Verkühlung ausgleichen.
Der Marathon:
Total nervös machte ich mich mit meinem Mann und ein paar Lauffreunden, die im selben Hotel wohnten, auf den Weg zum Start.
Mein Mann und ich gaben noch Eigenverpflegung ab und dann mussten wir uns trennen. Ich durfte im Startblock ÖSTM starten
und mein Mann (läuft als Privatmann – also ohne Verein) stellte sich in den Block dahinter.
Ich fühlte mich so verloren unter so vielen Menschen. Endlich sah ich auch Conny und Carola. Also, unser Trio war komplett.
Für mich war das heutige Motto: Durchlaufen, egal was passiert, damit wir in der Mannschaftswertung sind. Die Zielzeit kommt
daher erst an zweiter Stelle. Dann ging alles sehr schnell und schon war der Startschuß und wir liefen los. Ich ließ alle sehr bekannte Gesichter nach vorne laufen. Natalia, Ingrid,….. sah ich vor mir, gut so. Das heißt ich bin sicher in meiner Vorgabe (1-2 km mit 4:25 da es Bergauf geht). Obwohl diese Vorgabe bekam ich noch vor meiner Verkühlung, aber langsamer wollte ich auch nicht beginnen. Meine Schuhe fühlten sich gut an, bei km 1. Ich schaute auf meine Uhr, Schock, ich bin 4:07 gelaufen. Was laufen den dann die anderen? Die sah ich ja gar nicht mehr, weil sie so weit vorne waren. OK, beim ersten Kilometer viel zu schnell zu sein ist noch kein Unglück, ich nehme Tempo raus und werde langsamer. Jetzt läuft Bani an mir vorbei, wir unterhalten uns kurz, er wünschte mir alles Gute und zog nach vorne. Super, ich komme schon bei km 2 vorbei. Ein Blick auf meine Uhr und die zeigt mir 4:13. Ist schon besser und eigentlich sollte es ja nach den beiden Km Bergauf wieder runter gehen und so bleiben. Ab nun wäre am Plan gewesen, die km bis zum HM in 4:20 zu laufen. Der nächste war wieder in 4:10. Jetzt pfeiffe ich drauf, ich laufe solange es mir gut geht und danach habe ich den Vorteil – ich kann mich quälen! Das werde ich auch tun müssen, aber egal ich lasse es laufen. Es muß ca. bei Kilometer 5 gewesen sein, da waren Zuschauer und feuerten an. Ich konnte nicht anders, wer mich kennt, weis das, daher hob ich meine Hände und jolte mit und wurde gleich nochmals schneller und überholte in meinem Wahn gleich einige. Dann weis ich nicht mehr, habe ich ihn (Nr. 1288) oder er mich angesprochen? Auf jeden Fall gab es eine Unterhaltung zwischen mir uns meinen Laufnachbarn, was man so als Zielzeit heute vor hat. Ich gab meine Wunsch- und Traumzeit für den heutigen Tag an: 3:03. Egal, er verstand nur die 3 Stunden und ein zweiter sagte, dann sind wir schon zu dritt. Und so ging es los. Solche Kilometerzeiten laufe ich normalerweise im HM und das auch schon eher am Limit. Mir war es wurscht, ich blieb bei der Startnummer 1288. Er ermahnte mich und sagte, lasse die Hände unten und sprich nicht. Ich antworte mit: versprochen. Wir zogen los. Immer wieder sprach er ruhig auf mich ein. Es war ein gutes Gefühl, nicht mehr alleine zu sein. Ich sprach zu mir in Gedanken, Regina nutze die Chance und bleib drann, sonst mußt du alleine laufen. Ich zählte die Kilometer runter und es wurden immer weniger, aber trotzdem noch zu viele, die zu laufen waren. Plötzlich eine bekannte Stimme, Pipel raste an mir vorbei. Er läuft den HM und so wie er unterwegs ist, wird das eine wahnsinns tolle Zeit. Er wünschte mir noch alles gute. Endlich, die erste Hälfte war geschafft (1:28). Beinahe wäre ich PB in HM gelaufen. Irre, aber bei diesen Marathon ist sowieso nichts normal. Dann fing es aber an. Ich wurde langsamer. Mein Rettungsengel Nr. 1288 beruhigte und sprach ganz ruhig, wir haben noch genügend Vorsprung. Er erzählte mir, er ist hier in Graz schon 2:35 gelaufen. Ich konnte mein Glück nicht fassen, ich hatte den BESTEN und der begleitet MICH. Unser Dritter im Bund blieb am Tempo drauf und daher verlor er uns. Ich hatte natürlich ein schlechtes Gewissen und verlangte von meinen Rettungsengel Nr. 1288, bitte lauf, ich schaffe es schon.
Er verneinte und blieb an meiner Seite. Ich war überglücklich, das er mich nicht alleine lässt. Jetzt bereute ich auch meine Schuhwahl. Es war eine totale Fehlentscheidung. Ich lief fast barfuß, die hauchdünne Sohle und das bischen Stoff, damit kann man keinen Marathon laufen. Wie verzweifelt muß ich in der Früh gewesen sein?, um diesen zu nehmen. Egal, jetzt habe ich den an und muß damit ins Ziel, auch wenn ich dadurch starke schmerzen habe. Die Waden sind komplett hart und es kommen auch schon schmerzen von der Hüfte dazu. Abwechselnd versuche ich einmal mehr alles auf die rechte Seite zu verlagern, werden die schmerzen dort stärker, dann alles nach links rüber und dann alles wieder in die andere Richtung. Es tat mir so leid, gerade diesmal in so schlechter Verfassung zu sein. Gerne hätte ich meinem Rettungsengel Nr. 1288 gezeigt, das viel mehr in mir steckt und ich es Wert bin, von ihm begleitet zu werden. Statt dessen, war ich mehr Tot als Lebendig. Wieder einmal versprach mir mein Rettungsengel Nr. 1288, jetzt geht es bis km 35 bergab. Er versprach mir öfters, nämlich nach jeden Bergauf, jetzt geht es wieder runter. Verdammt, gibt es hier nichts, was einfach gerade und flach verläuft? Ständiges auf/ab und mit Unterführungen. In der 1. Runde war mein Rettungsengel noch ganz begeistert wenn ich die Unterführung runter lief und sprach, hast Du Rollschuhe an?, weil ich es flott runter rollen lies. Jetzt in der 2. Runde sprach mein Rettungsengel Nr. 1288 wieder: Wo hast Du Deine Rollschuhe? Ich mußte lachen! Ich hatte viel Zeit mich mit meinen Gedanken zu beschäftigen, da es bei Staatsmeisterschaften verboten ist, mit MP3-Player zu laufen, was ich ja sonst immer tu. Das war mein Letzter Marathon, dieser Gedanke war der immerwiederkehrende. Mein Rettungsengel Nr. 1288 sagte mir immer Bescheid, wenn eine Labestation demnächst kommt.
Da waren auch so viele Kurven zu laufen. Ich glaube das ist außerdem der Marathon mit den meisten Kurven, den ich bisher gelaufen bin. Endlich, die Tafel mit 40 steht da. Jetzt ist es nicht mehr weit. Vorsichtig wagte ich einen Blick auf meine Uhr, naja schaut ja gar nicht so schlecht aus. Ich habe zwar die Km auf meiner Uhr abgedrückt, aber als ein paar mal eine km-Zeit drauf zu sehen war, die ich nicht sehen wollte, schaute ich gar nicht mehr, bis jetzt. So toll die erste Hälfte war, so war dann das ganze Gegenteil – die zweite Hälfte – . Aber, das war mir schon bewusst, als ich viel zu schnell begonnen hatte. Womit ich mich verrechnet hatte, waren die Schuhe und die dadurch starken schmerzen. Jetzt treffe ich Gerda und Wolfgang, die beiden betreuen Ihr Team. Wolfgang macht noch ein Foto von meinen Rettungsengel Nr. 1288 und mir. Bei mir kommt auch das lächeln wieder zurück und gleich ist es geschafft. Schnell über die Matten und 3:08:51. Ich umarme meinen Rettungsengel Nr. 1288 und bitte ihn, sich meine Homepageadresse zu merken, dort werde ich einen Bericht über heute schreiben. Dann trennten sich unsere Wege. Ich möchte auf meinen Mann warten und natürlich wollte ich Informationen wo Conny und Carola sind. Ich treffe Martin und frage ihn nach den beiden. Er sagte, bis km 33 habe ich Conny begleitet und ich glaube Carola ist bei der Hälfte ausgestiegen. NEIN, das kann nicht sein, er muß sich irren, Carola kann nicht aufgehört haben. Das darf nicht sein, es geht um die Mannschaftswertung. War alles umsonst, bin ich heute wirklich für nichts gelaufen? Ich war unter Schock. Conny kam ins Ziel – super gelaufen (3:14). Danke, für die Jacke, ich wäre jämmerlich erfroren! Endlich war mein Mann im Ziel, jetzt brauchte ich ihn. Suchte Trost für den verlorenen Staatsmeistertitel in der Mannschaft. Wir machten uns auf den Weg ins Hotel. Beim Duschen bemerkte ich es erst – eine rießengroße Blutblase an der rechten großen Zehe. Danach ging es auf die Heimreise nach Wien. Jetzt brach die Verkühlung in voller Pracht bei meinen Mann aus. Beinahe wäre es mit den Taschentücher knapp geworden. Ich habe die Verkühlung von ihm bekommen und so wie es aussieht, wieder an ihn zurück gegeben. Keiner soll behaupten, ich bin neidig. Wir gingen trotzdem noch essen und dort sah mein Mann in seinem Iphone nach, wer ist der Rettungsengel Nr. 1288?, von dem ich die ganze Zeit erzählte. Alois!, jetzt hat er auch einen Namen.
Lieber Alois, ich hoffe Du liest meinen Bericht und ich möchte mich nochmals HERZLICHST BEDANKEN. Du hast auf eine sehr gute Laufzeit verzichtet, um mich bis ins Ziel mitzunehmen. Danke! Natürlich war dieser Marathon nicht umsonst, ich durfte an der Seite mit einen Rettungsengel Nr. 1288 der Alois heißt, eine Reise von 35 km machen. Außerdem, möchte ich Dir mitteilen, wir beide (ohne Dich hätte ich es nicht geschafft) haben den Wiener Landesvizemeister in Marathon erlaufen, hinter Susanne Pumper. Weiters habe ich den 3. Platz in meiner Altersklasse bei den ÖSTM gemacht und bekomme dafür die Bronzmedaille. Ich wünsche Dir alles, alles Gute und viele, viele erfolgreiche Marathons. Vielleicht treffen wir uns wieder bei einem Marathon!
Für mich geht damit die Saison zu ende. Werde jetzt einmal gut und ordentlich regenerieren. Zur Zeit stehen Familienausflugsläufe (mit Mann und Hund) am Plan. Danach überlegen, welche Ziele mit welchen Wettkämpfen ich ins neue Jahr 2011 laufe!
Grazmarathon10-3 Grazmarathon10-2

 

Schreibe einen Kommentar